WERKANALYSE

INHALTLICHE STRUKTUR DER WERKANALYSE

I. Allgemeines

Du stellst das Werk mit allen verfügbaren Mitteln vor. Die Zeitform ist Präsens.

a) Vorstellen der formalen Fakten

  • Gattung des Werks (Fotografie, Malerei, Skulptur, Installation, Performance…)
  • Um welch eine Darstellung handelt es sich? (Porträt, Vedute, Landschaft, Gruppenbild, abstrakte Darstellung…)
  • Titel des Werks
  • Entstehungszeitraum
  • Format (Hochkant/Querformat)
  • Maße
  • Wem ist es zuzuschreiben (Künstler)?
  • Wo befindet es sich derzeit?

b) Allgemeines Vorstellen des Künstlers

Wofür steht das Werk? Kann ein erstes Vorstellen des Künstlers dem Leser Aufschluss über Strategie und Wirkungsabsicht geben?

  • Epochale Einordnung
  • Bezug zum Œuvre
  • Lebensdaten

II. Syntaktik + Semantik (Beschreiben und Deuten)

Hier möchtest du dem Leser das Werk Aspekt bezogen beschreiben und jeweils deuten. Du erläuterst was zu sehen und wie es jeweils zu verstehen ist. Dabei gehst du auf die Ikonologie und Ikonografie des Werkgegenstands ein. Du gehst dabei auf die jeweiligen beschriebenen Aspekte deutend ein.

Syntaktik (Beschreiben)

Beschreibung, Eindruck (Anmutungscharakter), Faktenwissen

  • Die Reihenfolge ergibt sich aus dem Dargestellten.
  • Von vorne nach hinten (Tiefenräumliches Bild)
  • Vom Zentrum nach Außen (Flächiges Bild)
  • Evtl. in Leserichtung (von links nach rechts) (z.B. bei Renaissance- oder Barockbild)
  • Von wo aus sehe ich die Szene? (Betrachterstandpunkt)
  • Vogelperspektive, Froschperspektive, Normalperspektive, Frontalperspektive, Übereckperspektive
  • Nahsicht / Fernsicht (Nahe am Geschehen/Blickt man aus der Ferne
  • Identifikationsbrücke z.B. durch Rückenfigur, die im Vordergrund steht und durch deren Augen man sozusagen ins Bild schaut)
  • Nimmt man Kontakt auf mit dargestellten Personen (Augenkontakt)
  • Panorama oder Ausschnitthaftigkeit
  • Dargestellter Raum ist betretbar (imaginärer Raum), es führt ein Weg in das Bild, Zugang ist versperrt

Im Detail:

 

Kompositionsanalyse: Wie sind die Bildelemente zueinander geordnet? Hier kann eine Kompoisitionsskizze Aufschluss geben.

Du möchtest einer dem Kunstwerk innewohnenden Struktur, Bedeutungs- und Beziehungsgeflechte aufdecken und Sinnzusammenhänge nachvollziehen.

Kompositorische Elemente / Gestalterische Mittel sind: FORM (Linie und Fläche) und FARBE

 


ORGANISATION DER BILDFLÄCHE

Untersuchung der Bildzonen: Wie stehen die Bildzonen zueinander? Voneinander abgegrenzt, zusammenhängende Bildzonen, ineinander übergehende Bildzonen (Vorder-Mittel-Hintergrund) Figur-, Grund/Umfeld: Große Farbflächen können im Kontrast zu auffallend kleinen Bereichen sein.

Form:

Linien auf der Bildfläche

Gedachte Linien haben eine besondere Bedeutung für die Bildwirkung:

  • senkrechte Symmetrieachse= ausgewogene Komposition
  • Achsen können das Bildgefüge gliedern (z.B. Achsen, die durch Bildgegenstände verlaufen oder als Bildbegrenzung fungieren)
  • Dreieckskompositionen (v.a. in der Renaissance, vgl. Dürer) = Klarheit, Harmonie, Ausgewogenheit

Ausgesprochene, d.h. tatsächlich vorhandene Linien

  • Grenzen zwischen Farbflächen
  • Isolierte Linien
  • Rein grafische Elemente (z.B. in ungegenständlichen Kompositionen)
  • Umrisslinien
  • grafische Muster

Viele Senkrechte, viele waagrechte und geschwungene Linien im Bildgefüge stehen beispielsweise für:

  • Raster im Bild= statisches Gefüge
  • fester Bildaufbau= Bildtektonik (vgl. mit Architektur), bewirkt Ruhe, Ausgeglichenheit
  • Viele Diagonalen, gebogene oder geschwungene Linien
  • kreisende Bildanlage
  • dynamisches Bildgefüge (bewirkt Bewegung, Hektik, Aktion)

ORGANISATION DES BILDRAUMES

Raumschaffende Mittel:

  • Verkleinerung nach hinten, Überschneidung, Diagonale Linien weisen in den Hintergrund, Darstellen von Bewegung, Plastizität durch Hell-Dunkel (Modellierung der Bildgegenstände)
  • Lichtsituation
  • Landschaft: Luftperspektive (Nähe: dunklere Farben, klare Umrisse, Präzision in der Darstellung; Ferne: Dunst, Verschwimmen der Konturen, helle Farben, „Verblauen“)
  • Farbperspektive: Nähe: warme, intensive Farben; Ferne: kalte, gedämpfte Farben
  • Architektur: Linearperspektive (Zentralperspektive, Multiperspektive mit mehreren Fluchtpunkten)
  • Mehrdeutige Räume: weit erscheinender Tiefenraum, durch einen unterhalb der Bildmitte liegenden Horizont (Salvador Dalí). Verrätselung der Wirklichkeit mit illusionistischer Malerei (vgl. Karin Kneffel)
  • Autonomie der Kunst: Analytischer Kubismus (ab 1906), Aufhebung des einheitlichen Blickpunkts und der einheitlichen Distanz. Betrachtung aus mehreren Perspektiven gleichzeitig.
  • Anwendung der „polyvalenten Perspektive“ (mehrere Perspektiven in einem Bild)

FARBE ALS GESTALTUNGSMITTEL

Die Bildfläche setzt sich aus nichts anderem zusammen als aus Farbe, wird aber zugleich räumlich wahrgenommen. Auch ein ungegenständliches Bild suggeriert in gewissem Sinne Räumlichkeit, denn Farbe wirkt an sich räumlich. Warme Farben wirken nahe, kalte Farben treten scheinbar zurück.

Farbkonzept

Gesamteindruck auf den Betrachter) Formulierungsbeispiel: „Maler verwendet eine koloristische Malweise/ein koloristisches Konzept.“

  • Koloristisch: beruht auf einer buntfarbigen Farbwahl und setzt Farbe bzw. Farbkontraste als vorrangiges Gestaltungsmittel ein
  • Valeuristich: eher unbunter Grundton (vgl. Renaissance = Sfumato: Mona Lisa) beherrscht das Bild, Malerei wird als tonwertig (auch tonig) bezeichnet, die vorherrschende Farbe wird den ursprünglichen Lokalfarben der Motive beigemischt, sodass eine ausdifferenzierte Gesamtfarbigkeit des Gemäldes entsteht
  • Monochrom: Beschränkung auf Abstufungen nur einer Farbe
  • Grisaille: Grisaille-Malerei, auch "Steinmalerei" genannt, beschränkt sich allein auf den Einsatz fein modulierter Grautöne (Graumalerei).

Eigenwert der Farbe: reine Wirkungsweise der Farbe, ohne Berücksichtigung des Farbträgers, Buntwert und Ästhetik der Farbe steht im Vordergrund.

Darstellungswert der Farbe: Farbe dient zu Charakterisierung des Farbträgers. D.h. Stofflichkeit, Oberflächenstruktur, Dichte und Färbung des gemalten Objekts sollen deutlich werden.

Funktionen der Farbe:

  • Lokalfarbe (o.a. Gegenstandsfarbe): Die einem Gegenstand fest zugeschriebene Farbe, welche durch Schattierungen oder Modellierung auch nicht verändert wird. Beispiel: Grün des Blattes, Blau des Meeres. Vor allem in der mittelalterlichen Malerei verwendet.
  • Erscheinungsfarbe (o.a. Reflexfarbe): Farbigkeit, die sich durch atmosphärische Bedingungen oder verschiedene Beleuchtungsverhältnisse ergibt (momentane farbige Erscheinung eines Gegenstandes). Vor allem im Impressionismus verwendet (Monet).
  • Ausdrucksfarbe: individuelle und subjektive Empfindungen des Malers sollen mit der Farbe wiedergegeben werden (häufig mit spannungsgeladenem Ausdruck). Vor allem im Expressionismus verwendet (roter Hund, grünes Gesicht etc.).
  • Symbolfarbe: Farbe, die auf tiefere Sinnzusammenhänge hinweist durch ihre zeitbedingte, aber von Vielen erkennbare Bedeutung (z. B. Gold: im Mittelalter Zeichen der göttlichen Sphäre)
  • Absolute/autonome Farbe: vom Gegenstand und von dienender Darstellungsfunktion befreite Farbe, stattdessen Farbe als eigenständiges Thema, als Bildaussage selbst, Farbwirkung oft durch große Flächen (z.B. Farbfelder in der modernen Malerei, Mark Rothko, Gerhard Richter)

Qualität der Farbe:

  • Farbton: z.B. bunt (rot), unbunt (schwarz), schwachbunt (braun)
  • Farbhelligkeit: Eigenhelligkeit der Farbe (am größten bei Gelb), auch Aufhellen mit Weiß oder Abdunkeln durch Beimischung von dunkleren Farben
  • Farbreinheit: Sättigung der Farbe oder Brechung der Intensität durch Beimischung der
  • Komplementärfarbe (Leuchtkraftverlust) und Trüben durch Grauanteil

Farbe und Licht:

  • Eigenlicht: Goldgründe leuchten aus sich heraus
  • Beleuchtungslicht: künstliche oder natürliche Lichtquellen
  • Licht und Schatten: durch Licht und Schatten lassen sich spannungsvolle Helldunkel Beziehungen aufbauen. Chiaroscuro (ital. Helldunkelmalerei): bestimmte Teile des Bildes sind in helles Licht getaucht und werden so besonders hervorgehoben.

Relativität der Farbwahrnehmung:

Farbwirkung: Welcher Charakter einer Farbe zugeschrieben wird ist häufig subjektiv und hängt von Epoche und Kulturkreis ab. Mögliche Zuordnungen:

  • helle Farben werden vom Betrachter als leicht empfunden
  • dunkle Farben eher als schwer
  • warme Farben wirken dichter, fester, körperhafter und näher am Betrachter, also greifbarer
  • kalte Farben wirken meistens transparenter, ferner, leichter, körperloser
  • Gelb: Reife, Wärme, Optimismus, Vorwärtsstreben, Heiterkeit, Freundlichkeit, Veränderung, extrovertiert; aber auch (als Gelbgrün) Trauer, Neid, Hass
  • Gold: Sonne, Reichtum, Freude
  • Rot: Aktivität, Dynamik, Gefahr, Temperament, Zorn, Wärme, Leidenschaft, Eroberungswille, Tatendrang, exzentrisch
  • Orange: Freude, Lebhaftigkeit, Spaß, Lebensbejahung, Ausgelassenheit, fanatisch, aktiv
  • Blau: Harmonie, Zufriedenheit, Ruhe, Passivität, Unendlichkeit, Sauberkeit, Hoffnung
  • Grün: Durchsetzungsvermögen, Frische, Beharrlichkeit, Entspannung, Ruhe, lebensfroh, naturverbunden
  • Violett: Selbstbezogenheit, Eitelkeit, Einsamkeit, Genügsamkeit, introvertiert, statisch
  • Braun: Sinnlichkeit, Bequemlichkeit, Anpassung, Schwere, zurückgezogen
  • Weiß: Reinheit, Sauberkeit, Ordnung, Leichtigkeit, Vollkommenheit, illusionär (im Abendland, in Asien steht Weiß für Trauer und Tod)
  • Schwarz: Negation, Auflehnung, Undurchdringlichkeit, Trauer, Einengung, Abgeschlossenheit, Funktionalität, pessimistisch, hoffnungslos, schwer
  • Grau: Neutralität, Trostlosigkeit, Nüchternheit, Elend, Nachdenklichkeit, Sachlichkeit, Funktionalität, Schlichtheit, unbeteiligt

Farbkontraste:

Sie bilden Grundlage der Farbwahrnehmung und können von unterschiedlichen Farbmengen, Farbtönen an sich, der Intensität der Farbe, dem Farbauftrag und den Farbbeziehungen untereinander ausgehen.

Johannes Itten unterschied insgesamt sieben Kontraste:

 

  1. Der „Farbe-an-sich-Kontrast“ entsteht durch Zusammenstellung ungebrochener, bunter reiner Farben
  2. Der „Hell-Dunkel-Kontrast“ hervorgerufen durch unterschiedliche Eigenhelligkeiten der Farben und Töne
  3. Der „Kalt-Warm-Kontrast“ Farben scheinen Temperaturen zu haben. kalte Farben: Grün, Blau, Türkis. warme Farben: Rot Orange Gelb und Erdfarben
  4. Der „Qualitätskontrast“ (ein Intensitätskontrast) besteht aus dem Gegensatz von gesättigten, reinbunten zu ungesättigten, stumpfen oder getrübten Farben
  5. Ein „Quantitätskontrast“ (ein Mengenkontrast) entsteht durch ungleich große Farbflächen.
  6. Komplementärkontrast“ der gleichzeitig Spannung und Harmonie ausdrückt, bilden die sich auf dem Farbkreis (von Itten) gegenüberliegenden Farbpaare (z.B Gelb –Violett, Rot-Grün, Blau-Orange)
  7. Der „Simultankontrast“ entsteht, wenn das Auge zu einer Farbe physiologisch die Komplementärfarbe erzeugt (eine graue Fläche neben einer gelben Fläche erscheint violett) Darauf beruht der „Sukzessivkontrast“, bei dem Komplementärfarben nachträglich entstehen (eine weiße Fläche erscheint grün, nachdem man lange auf eine rote geblickt hat).

Malweise: (Farbauftrag, Werkspuren)

  • Maltechnik: Temperamalerei, Ölmalerei, Aquarelltechnik, Freskomalerei
  • Farbauftrag: lasierend: durchscheinend; Farbe wird dünn, nicht deckend aufgetragen und lässt tiefer liegende Farbschichten durchscheinen, wodurch die Tiefe und Leuchtkraft eines Bildes gesteigert wir

  • Duktus: (lat. „ductus“ = Schriftzug, Führung) Der Farbauftrag ist bei Künstlern oft unverwechselbar. Von Duktus kann immer dann gesprochen werden, wenn der einzelne Pinselstrich zu sehen ist.
  • Werkspuren: Spuren, die von Pinseln, Messern, Spachteln, Lappen und Schwämmen auf dem Malgrund hinterlassen werden.
  • Alla Primamalerei: Farbauftrag ohne jegliche Untermalung und Lasuren (vgl. Impressionismus)
  • Textur: stoffliche Wirkung der Farbe, die durch Hinzumischen von z.B. Sand oder Gips erreicht wird.
  • Surrealistische Zufallsverfahren/ „Actionpainting“: Verfahren des Abklatschens oder Spritzens der Farbe mit zufällig ausgewählten Werkzeugen. (vgl. Pollok)

Semantik (Deutung)

Was möchte der Künstler aussagen? Weshalb bedient er sich eines besonderen Inhaltes und einer besonderen Form?

  • Schlussfolgerung werden aus objektiven kunstwissenschaftlichen Erkenntnissen herangezogen und stützen sich auf objektiv Beobachtetem und Analysiertem.
  • Deutung heißt immer auch von einem bestimmten Punkt, einer bestimmten Haltung, Gestimmtheit usw. auszugehen und bleibt kein rein objektives Vorgehen.

III. Kontextualisierung

FUNKTION UND WIRKUNGSABSICHT DES KÜNSTLERS

 Der Künstler wird als Ausgangspunkt im Kontext verstanden

  •  biografischer Ansatz (Biografie als Weg zum Verständnis)
  • psychologischer Ansatz (psychologischer Hintergrund als Weg zum Werkverständnis)
  • Gesellschaftlich orientierte Ansätze
  • Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsentwicklung und Sozialisation
  • Untersuchung der Stellung des Künstlers in der Gesellschaft
  • Künstler widmet sich den Interessen von Auftraggebern oder Sammlern und den Kunst vermittelnden Institutionen; Funktion von Kunst geht über rein Ästhetisches hinaus.

IV. Navigation in die Kunstwissenschaft

ZUSAMMENFASSENDE DARSTELLUNG + SCHLUSSFOLGERUNG

In einer zusammenfassenden Darstellung, die sich auf alle Aspekte der Analyse mit engem Bezug zum Werk und der der angeführten Aspekte in der Werkanalyse stützt, werden hier nachvollziehbare Bezüge zur Kunstwissenschaft hergestellt.

  • hier werden kunstwissenschaftliche Erkenntnisse herangezogen
  • nachvollziehbare Vergleiche mit anderen Künstlern hergestellt
  • eventuelle Wegbereitung einer Strömung dargelegt

Schlussfolgerung (der Anteil des Betrachters)

  • Bildimmanente Sprache (Ausdruck, Darstellung persönlicher Befindlichkeit)
  • Rezeptionsästhetik (Rezipient untersucht, wie der Künstler Bildwirkung im Hinblick auf den Betrachter inszeniert u. welche Mechanismen bei der Rezeption greifen)
  • Bildregie o. Bildführung (Künstler versuchen mit Hilfe von z. B. auffälligen Farben oder dominanten Linien den Blick zu lenken)

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