KLASSISCHE MODERNE

Der Impressionismus ist eine malerische Stilrichtung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die zunächst von französischen Malern begründet wurde. Der Begriff stammt vom lateinischen „impressio“ ab, das den Moment, den augenblicklichen Eindruck eines „Geschauten“ bedeutet.

 

Als Bezeichnung für die Künstlergruppe wurde ein Bildtitel des französischen Malers Claude Monet aufgegriffen. Eher als Abwertung gedacht, bezeichnete ein Kunstkritiker die ganze Bewegung als Impressionisten.

Das Sujet

Die Faszination des Impressionismus ist bis heute ungebrochen. Dies ist damit zu begründen, dass die Themen der Bilder unsere Welt zitieren. Somit können die Bilder von einer breiten Masse gelesen werden, ohne mythologisches Grundwissen. Die Bilder wirken direkt auf den Betrachter und müssen nicht erst dechiffriert werden.

 

Die Bilder entstehen im Freien. Die flüchtigen Eindrücke, die Impressionen, werden auf der Leinwand festgehalten. Die Themen verändern sich im Gegensatz zu vorangegangenen Epochen, in denen Maler vorrangig ein bestimmtes Thema bearbeitet haben. Die Themen der Impressionisten sind alltäglich und lösen noch heute im 21. Jahrhundert beim Betrachten Vertrautheit aus.

Die Fotografie

Der Impressionismus ist eine Kunstrichtung, deren Bewegung die Moderne des 20. Jahrhunderts grundlegend geprägt hat. Mit dem Aufkommen der Fotografie (1826) wurde der naturalistische Anspruch an die Malerei aufgehoben. Maler konnten sich nun neuen Themen zuwenden, da die Fotografie die naturgetreue Abbildung übernahm.

 

Diese radikale Veränderung in der Malerei stieß zunächst, wie so oft, auf Irritation und Ablehnung, wandte sich dann aber und ebnete schließlich den Weg in die moderne und später abstrakte Auffassung der Malerei.

 

Nicht selten diente die Fotografie den Malern des Impressionismus auch als technisches Hilfsmittel. So hatte beispielsweise Monet ein Zimmer vis-à-vis des Portals der Kathedrale Notre-Dame de l`Assomption von Rouen in der französischen Normandie angemietet, um es als Atelier zu nutzen.

 

Anhand fotografischer Aufnahmen skizzierte er bereits im Vorwege des malerischen Prozesses die Konturen der Kathedrale auf die Leinwand und arbeitete später die wahrgenommenen Farbklänge in das jeweilige Bild.

 

Monet erarbeitete am Beispiel der Kathedrale zwischen den Jahren 1892 – 1894 eine umfassende Bilderserie. Seine malerische Auseinandersetzung bezog sich auf die intensive Studie sich verändernder Lichtsituationen. Die facettenreiche Architektur des gotischen Portals der Kathedrale liefert durch die spielerischen Kulminationen ein kontrastreiches Schattenbild. Zudem ist der Sakralbau so hoch, dass selbst bei niedrigem Sonnenstand der obere Teil noch Sonnenlicht einfängt, während der untere Teil bereits im Schatten liegt.

Das Künstlerische Anliegen

Die Impressionisten folgten einem naturwissenschaftlichen Blick. Die intensiven Farbgebungen setzten sie kontrastreich gegenüber. Farbtemperaturen wurden systematisch in die malerische Umsetzung einbezogen.

 

Bei warmen Lichteinfällen wurden kühle Schatten entgegengesetzt und umgekehrt. Die Farbpalette entsprach nahezu den Spektralfarben, die in der Physik bei Lichtbrechung entstehen.

 

Nicht selten sind komplementäre Farbkontraste zu erkennen, nämlich die Töne, die den Primärfarben in Ittens Farbordnung gegenüberstehen (Rot-Grün, Blau-Orange, Gelb-Violett).

 

Das Motiv rückt bei den Impressionisten aus dem Fokus, denn die Lichtstudien sind zentrales Thema. Dabei wird das Motiv sozusagen austauschbar. Es sind alltägliche Szenen, Momente des gesellschaftlichen Treibens oder Landschaftsdarstellungen.

 

Damit sind die Motive allgemeingültig, nicht aber die Malerei! Sie ist neu und zunächst einzigartig. Der Duktus, die Handschrift des Malers, wird sichtbar. Man kann die Pinselführung sehen, was bis dahin als „unvollkommen“ oder „unfertig“ galt. Die Konturen werden unscharf und verschwimmen. Schattengebungen werden farbig, Lichter ebenfalls. Das rauchige, naturalistisch-glatte Abbild der vorangegangenen Jahre wird abgelöst.


Claude Monet und das Prinzip des Seriellen

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Realismus | Impressionismus
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Die ästhetische Farbenlehre des Claude Monet
Die Faszination des Impressionismus ist bis heute ungebrochen. Dies ist damit zu begründen, dass die Themen der Bilder unsere Welt zitieren. Somit können die Bilder von einer breiten Masse gelesen werden - ohne mythologisches Grundwissen. Die Bilder wirken direkt auf den Betrachter und müssen nicht erst dechiffriert werden.
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Der Begriff Expressionismus steht für "Ausdruck" und beinhaltet schon das Wesentliche der Strömung des Expressionismus , die sich hauptsächlich in Deutschland im ersten Viertel des 20 Jahrhunderts entfaltete. Die Maler wollten nicht mehr den äußeren Eindruck (Impression) wiedergeben, sondern waren daran interessiert, ihre innere seelische Befindlichkeit gestalterisch im Bild zum Ausdruck zu bringen.

Es haben sich Gruppen gebildet zu welchen sich Künstler zusammengeschlossen haben (die Fauvisten, die Künstlergruppe "die Brücke"). Unter den Künstlern, die sich keiner Gruppierung angeschlossen haben, ist Max Beckmann (1884 - 1950) eine herausragende Gestalt. In seinen mythologisch verschlüsselten Bildern bricht er radikal mit der Raumperspektive und der Anatomie seiner Figuren. Seine persönliche Weltanschauung verdichtet sich in quälenden Visionen menschlicher Gewalt und Zerstörung, in denen oft nur ein kleiner Funken Hoffnung auf Erlösung bleibt.

Das Werk Zirkuswagen malte Beckmann im Jahr 1940 in Amsterdam. Eingesperrt wie die beiden Tiger im Käfig drängen sich im beengten Raum eines Artistenwagens verschiedene Zirkusgestalten. Das finstere Gesicht in der Mitte trägt Beckmanns eigene Züge. Wie schützend liegt vor ihm eine Wahrsagerin, die eine zwergwüchsige Figur mit einer Laterne anblickt. Links versucht ein Akrobat, über eine Dachluke in die schwarze Nacht zu fliehen. Der Dompteur mit der Peitsche scheint alle Anwesenden zu bewachen. Die Szene spiegelt die bedrückende Situation des Malers in der Isolation des holländischen Exils wider.

Max Beckmann

Zirkuswagen (Amsterdam 1940)

Öl auf Leinwand (86,3 x 118,5 cm)

Städel Museum, Frankfurt am Main

Bildquelle: https://sammlung.staedelmuseum.de/de/werk/zirkuswagen


Max Beckmann, Abfahrt (1932/33)

Bildquelle: https://www.moma.org/collection/works/78367

 

Max Beckmann

Die Abfahrt (1932/33)

Triptychon, Öl auf Leinwand

Museum of Modern Art, New York

 


Max Beckmann hat ein mystisches, ein bedeutungsschweres Werk hinterlassen. Vom Ersten Weltkrieg geprägt, von den Nazis entartet hat ihn sein Weg von Deutschland nach Amsterdam ins Exil geführt. Von dort gelang er schließlich ins ersehnte Amerika, wo er 1950 einem Herzinfarkt erliegt.

Im Spätwerk, den letzten Schaffensjahren zwischen New York und San Francisco malt er Städte und Landschaften. Aber auch kraftvolle Skulpturen entstehen. Vor Allem sind es aber die Porträts, die das Werk Beckmanns prägen. Er ist sich dabei selbst sein liebstes Modell. Er gilt als Prototyp des deutschen Künstlers: um nach Sinn und Tiefe ringend, auf der Suche nach Wahrheit.

Es sind die großen Menschenthemen, die Beckmann verhandelt. Im künstlerischen Schaffensprozess ringt er intensiv mit sich, was sich zu jedem Zeitpunkt in den Bildern ablesen lässt. Sein kräftiger Pinselstrich löst sich mit dem Aufkommen der Nazis auf und wird zeitweise unruhig und nervös.

Die Abfahrt (Departure)

Auf der mittleren Tafel ist ein Boot mit einem König, einem Krieger und einer Mutter zu sehen. Es treibt auf dem weiten Ozean davon. Während rechts und links in der Düsternis gefesselt und gefoltert wird. Vielfach wurde das Werk als düstere Prophezeiung des deutschen Schicksals gelesen. Die Nazis sind seit kurzem an der Macht.

Linke Tafel: das Schloss

Auf der linken Seite sieht man eine gefesselte Frau, ihre Hände wurden abgehackt, die Beine auseinandergezerrt, der Mund ist verbunden, damit niemand ihre Schreie hören muss. Neben ihr steht ein Mann in einem Fass, seine Beine sieht man nicht. Weiter unten am Boden kauert eine gefesselte Frau über einer Glaskugel. Hinter ihr steht der Scharfrichter mit dem erhobenen Beil. Doch beim genauen Hinsehen bemerkt man, dass das Beil gar keines ist. Der Mann hält einen Kescher in dem zwei Fische gefangen sind. Wer also Schuld an all der Qual auf dem Bild trägt ist nicht zu erkennen.

 

Beckmann nennt diesen Teil des Bildes das Schloss. Wie in Kafkas Roman (1926) ist der Mensch hilflos einer anonymen Macht ausgeliefert.

Rechte Tafel: die Dunkelheit

Auf der rechten Tafel trägt eine Frau einen toten Mann mit sich herum. Hinter ihr steht ein blinder Liftboy, ebenfalls mit einem Fisch in der Hand. Diesmal könnte es ein Phallussymbol sein. Beckmann selbst beschreibt diesen Teil wie folgt:


„Sie sehen sich selbst, wie sie versuchen ihren Weg in der Dunkelheit zu finden. Als Teil ihrer selbst tragen sie die Leichen als Teil ihrer Erinnerungen, ihrer Übeltaten und Misserfolge. Sie können sich nie von ihrer Vergangenheit befreien. Sie müssen diesen Leichnam tragen, während das Leben dazu die Trommel schlägt."


Mittlere Tafel: die Erlösung

Der Schuldige auf der linken Tafel ist also der Betrachter selbst. Die Erlösung erfährt man in der Bildmitte. Der König als Symbol der Zivilisation, der mystische Krieger und die Madonna mit ihrem Kind treiben auf dem Meer in die mystischen Weiten. Der König entlässt mit einer segnenden Geste die Fische ins Wasser. Sie dürfen leben und müssen nicht vertrocknen, wie im Schloss auf der linken Seite, im Kescher des Mannes.

Im Bildhintergrund sieht man versteckt einen Mann. Es ist Beckmann selbst, der das Kind betrachtet. Es ist sein Kind, das für Hoffnung, Freiheit und die Kunst steht. Kunst ist für Beckmann die eigentliche Erlösung und der Künstler der Priester. Deswegen hat Beckmann die Form des Triptychons gewählt, die Form des Altarbildes. Die Menschen müssen erkennen, dass sie Gott sind, so Beckmann, dass sie an sich glauben und für sich selbst Verantwortung übernehmen müssen.

In dem Werk Abfahrt ahnt Beckmann 1933 bereits Deutschlands aber auch sein eigenes Schicksal voraus. Erst im Sommer 1947 erhielten Max und seine Frau Mathilde „Quappi“ Beckmann Visa für die USA.


Max Beckmann, Selbstbildnis im Smoking (1927)

Bildquelle: http://www.ekphrastic.net/uploads/1/4/0/7/14070919/ntm6-2-23_orig.jpg

 

Max Beckmann

Selbstbildnis im Smoking, 1927

Öl auf Leinwand, 139,5 x 95,5 cm

Busch-Reisinger Museum, Cambridge/USA

Max Beckmann wurde 1884 in Leipzig geboren und verstarb 1950 in New York. Er verlor beide Elternteile früh, den Vater, als Beckmann erst 10 Jahre, die Mutter als er 22 Jahre alt war. Diese beiden frühen Erlebnisse des Todes und die damit verbundene Lösung aus dem Schutz der Familie waren einschneidende und nachhaltige Eindrücke, die sein Werk prägen und seine späteren Themen beherrschen sollten.

Nach Ausbruch des I. Weltkriegs meldete sich Beckmann freiwillig als Sanitätssoldat und wurde an der belgischen Westfront eingesetzt. Hier wollte er seiner idealisierten Vorstellung nach als Beobachter und Chronist in der Atmosphäre des Weltuntergangs an dem heroisch-pathetischen Überlebenskampf des Menschen teilhaben. Die Kriegserlebnisse haben unmittelbar Einfluss auf Beckmanns Kunst. An der Front wollte Beckmann deshalb seine eigenen Erfahrungen für die künstlerische Arbeit sammeln.

Beckmann verkörpert mit seinem Werk das Ideal der gesellschaftlichen Kompensation des Nachkriegsdeutschlands. Damit nimmt er innerhalb der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts eine Sonderstellung ein. Das Werk Beckmanns kann mit dem Begriff des deutschen Expressionismus verbunden werden.

Mit dem Selbstbildnis folgt Beckmann einer gewissen Tradition, welcher er bis zu seinem Tod treu bleibt. Er sucht nach Kriegsausgang neue künstlerische Wege in der Auseinandersetzung innerhalb dieses Themas. Das 1927 entstandene Selbstbildnis im Smoking stellt einen neuen Höhepunkt in seiner Auseinandersetzung dar und ist zugleich das erfolgreichste Selbstbildnis, das er geschaffen hat. Es war das erste Ölgemälde, das er überhaupt an ein Museum verkaufte. Im Folgejahr kaufte es die die Nationalgalerie Berlin auf um nur neun Jahre später von den Nazis als „entartet“ beschlagnahmt zu werden. Auf Umwegen gelangte es schließlich aus dem New Yorker Handel in das Museum der Harvard Universität, wo es sich noch heute befindet.

Dieses Selbstbildnis wirkt, als würde es respektvolle Distanz gebieten, wenn nicht sogar die elementare Unterordnung des Betrachters. Alle diese Züge drücken, in Verbindung mit der Rolle des Großbürgers einen selbstherrlichen Führungsanspruch, als wolle Beckmann den Weg einer Gesellschaft aufweisen: Beckmann schaut aus dem Bild heraus. Dabei richtet sich sein Blick ins Entlegene. Während er eine Hand in die Hüfte stemmt, hält er mit der anderen eine Zigarette. Diese ist bereits zur festen, wiederkehrenden Formel in seinen Selbstbildnissen geworden. Er zeigt sich dem Betrachter frontal zur Mittelachse des Bildes. Im Einklang mit dem Bildhintergrund spricht aus seiner Körperhaltung ein Gleichgewicht der Komposition. Er fasst sich in dem Bild nicht mehr in ein enges Raumsegment. Das Hintergrundbild ist nach allen Seiten offen. Er steht davor, als wolle er unbedingt verhindern, dass jemand an ihm vorbeikommt, und erweckt den Eindruck als müsse man ihn erst überwinden.

Beckmann formuliert sich selbst als Herrn der bürgerlichen Gesellschaft. Seine Pose im Bild ist nicht zwangsläufig der Porträtfotografie der 20er Jahre zuzuschreiben. Bereits zwanzig Jahre zuvor zeigte er sich im Selbstbildnis vor Florenz in verblüffender Ähnlichkeit, woraus deutlich wird, dass es sich mit der Haltung um ein wiederkehrendes Moment in Beckmanns Selbstdarstellungen handelt und nicht lediglich um eine vom Zeitgeist beeinflusste temporäre Erscheinung.

Diese Pose ist mehr als ein kurzes Verharren. Sie demonstriert Beckmanns Kraft und seinen ungebrochenen Willen etwas zu verändern. Mit diesem Habitus zeigte er sich in einer Abhandlung vom Juli 1927 als denkender Maler: er forderte ein, er proklamierte.

Das flächige Schwarz seines Anzuges ist für ihn die Konzentration der Farbe, nicht die Verneinung seiner schöpferischen Imagination. Im Bild steht es dem Betrachter als absorbierende Fläche gegenüber, sodass die Männerfigur als mächtige Barrikade, als unverrückbar wahrgenommen wird. Damit wird der Blick umso mehr auf den Kopf der Figur gelenkt. Der Mund mit den zusammengepressten Lippen zeigt seine Entschlossenheit.

Im selben Jahr erschienen die ersten Tonfilme in den Kinos. Vielleicht bestraft Beckmann sie sogar mit seinem Schweigen? Zumindest ist Beckmann auf beiden Ebenen präsent, sowohl geistig, als auch künstlerisch. Er schweigt nicht, sondern geht zielsicher in die Offensive. Der Anzug wird seit Mitte des 19. Jahrhunderts zur bürgerlichen Uniform und ist es bis heute geblieben. Damit macht er nicht sich einer Gesellschaft zugehörig, sondern das gesellschaftliche Abbild ihm. Gleichzeitig hält er sie sich vom Leib.

Beckmann tritt nicht nur wie auf einer Bühne gegen sein Publikum an, sondern auch wie an einer Rampe gegen die ganze Welt an. Er steht für eine Sache ein, ähnlich wie auch der Ritter Carpaccios für eine Sache einstand.

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Der Name "Kubismus" ist vom französischen cube: Würfel abgeleitet und bezieht sich vermutlich auf die kubische Vereinfachung der Bildgegenstände in den Bildern der frühen Maler dieser Richtung. Die beiden Maler Pablo Picasso (1881 - 1973) und Georges Braque (1882 - 1963) ließen sich von Bildern Cézannes anregen und entdeckten, dass in der Reduktion der Bildgegenstände auf die Grundelemente der Kugel, des Kubus, und des Zylinders, ein Verfahren, welches schon Cézanne angestrebt hatte, der Schlüssel für eine neue künstlerische Bildgestalt (Analytischer Kubismus) lag. Die Zerlegung des Bildgegenstandes in die Grundbestandteile seiner Baustruktur und die gleichzeitige Betrachtung des Gegenstandes aus verschiedenen Blickwinkeln führte zu einer Bildkonstruktion, die in den Facetten der Ansichten und den Fragmenten der zerlegten Form die klassische Bildkomposition auflöste und die Perspektive als raumschaffendes Mittel aufgab.

Das Bildmotiv wurde zunehmend nur noch Ausgangspunkt einer Bildkonstruktion und verlor an Gegenständlichkeit. Die Reduktion der der Farbskala auf wenige Grau-, Blau-, und Ockertöne und die Auflösung der Konturen der Formen bewirkte eine Steigerung der Abstraktion.

Mit der Einführung realer Materialien wie z. B. Tapete, Tischtuch, Glas, Schnur) wurde zum ersten Mal das Prinzip der Collage entdeckt und angewendet. Dieses Prinzip der Einfügung führte ab 1912 zu einer zweiten Phase der Stilrichtung, dem Synthetischen Kubismus. Juan Gris (1887 - 1927) komponierte aus abstrahierten Grundformen den Bildgegenstand neu im Bild. Dabei wurde die Bildkomposition sorgfältig auf die Farb-, und Formbeziehung der Bildelemente abgestimmt und die Entstehung verschiedener Wahrnehmungsweisen bewusst angestrebt.


Recherchiere dazu folgende Werke

Paul Cézanne

Ansicht des Saint-Victoire (1892 - 1895)

(Provence, Frankreich)

Öl auf Leinwand (73 x 92 cm)

Sammlung Barnes, Philadelphia, USA


Analytischer Kubismus

 

Beispiel: Pablo Picasso

Mädchen mit Mandoline, 1910

Öl auf Leinwand (91,5 x 59 cm)

Museum Ludwig, Köln

 

Beispiel: Georges Braque

Mandora, 1910

Öl auf Leinwand (71,1 x 55,9 cm)

Tate Gallery, London


Synthetischer Kubismus

 

Beispiel: Juan Gris

Fantomas, 1915

Öl auf Leinwand (59,8 x 73,3 cm)

National Gallery of Art, Washington D.C./USA


Pablo Picasso "Nusch Eluard" (1938)

Pablo Picasso

"Nusch Éluar"

Öl auf Leinwand (55 x 46 cm)

24. August 1938

Sammlung A.R.

Bildquelle: Fotografie aus dem Ausstellungskatalog "PICASSO Die Zeit nach Guernica 1937 - 1973", Hatje, 1993


Das Gemälde „Porträt Nusch Eluard“ von Pablo Picasso ist auf den 24. August 1938 datiert. Es ist in Öl auf eine Leinwand gearbeitet, die 55 x 46 cm misst und sich in der Sammlung A.R. befindet. Das Sujet bildet das Porträt Nuschs, einer deutsch-französischen Schauspielerin. Sie saß für Picasso einige Male Modell und man sagt ihm eine Affäre mit ihr nach.

Pablo Picasso gilt als einer bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Seine Produktivität bringt ein Gesamtwerk von mehr als 15.000 Gemälden hervor. Picasso wird eng mit Georges Braque verknüpft. Beide haben den Analytischen Kubismus begründet. Das Werk "Les Demoiselles d'Avignon" aus dem Jahr 1907, avancierte in den 1920er Jahren zur Ikone der Moderne und befindet sich im MoMa.

 

Als Hauptmotiv wählte Picasso das Porträt Nusch Eluards. Dabei fällt besonders auf, dass ihr Oberkörper entblößt ist. Ihr Blick sucht nicht den Kontakt mit dem Betrachter sondern ist ihm abgewendet. Die rechte Hand stützt dabei sanft ihren Kopf. Die schwarze, teilweise lasierende Strichführung Picassos steht auf einer warmgrauen Grundierung und dominiert das Bild. Milde violette und blaue Farbklänge durchbrechen die sonst monochrome Malerei im oberen Bereich der Figur. Der Bildhintergrund bleibt frei, wodurch sie konkurrenzlos im Bild steht.

 

Der Blick des Betrachters wird frontal auf die Figur gelenkt. Der Ellenbogen des stützenden Arms liegt im linken unteren Wildwinkel. In der Verlängerung bildet er eine Diagonale Achse in den rechten oberen Bildwinkel. Damit folgt der Blick des Betrachters dieser Achse zum Gesicht der Figur. Der andere Arm ist ebenfalls angewinkelt und liegt ruhend am unteren Bildrand vor dem Rumpf. Sein Ellenbogen liegt im rechten unteren Bildwinkel. Verfolgt man die weitere Liniengebung, so führt der Blick in der Verlängerung in den linken oberen Bildwinkel. Damit wird die Blickführung zum Gesicht der Dargestellten unterstützt. Auf der Höhe des sich daraus ergebenen Schnittpunktes liegt die Mundpartie des Porträts. Das dunkle lockige Haar trägt Nusch Eluard offen. Es nimmt etwa ein Viertel des Bildes ein und umschließt den Kopf sowie den Halsbereich, wodurch diese hervorgehoben werden. Die dunkle Fläche der Haare korrespondiert kompositorisch mit dem dunklen Kleid, welches Nusch von der Schulter gestreift hat.

 

Das Bild wirkt, da es einen flüchtigen Pinselstrich zeigt, skizzenhaft, als wolle der Picasso rasch einen Moment im Hochsommer festhalten. Insgesamt wirkt das Bild ruhig und lädt in seiner Stimmung zum Innehalten ein. Picasso zeigt Nusch in ihrer ganzen weiblichen Sinnlichkeit, entblößt, mit offenem Haar und freiem Hals, so, als sei sie der Maßstab der weiblichen Attraktivität. Die melancholische Stimmung wird durch die Farbgebung des Bildes unterstützt. Die gedämpften Violetttöne lassen beim Betrachten Schamesröte in Nuschs Gesicht anmuten. Ihr Blick folgt dem stützenden Arm und weicht dem Betrachter aus. Das Bild ist sehr intim und kommt daher ohne weitere Staffage aus.


Der Amerikanische Realismus, auch als „American Scene“ bezeichnet, umfasst eine Strömung der amerikanischen Malerei, die von etwa 1920 bis in die 1940er Jahre andauerte. Nach dem Ersten Weltkrieg machten sich die Maler auf die Suche nach neuen Themen und entdeckten ihre unmittelbare Umwelt als reiche Quelle. In diesem Sinne zeigen ihre naturalistisch aufgefassten Bilder häufig Darstellungen aus dem täglichen Leben gewöhnlicher Menschen, beispielsweise Farmer (American Gothic), Familienfeste, und Straßenszenen. Mitunter wurden sozialkritische Themen behandelt. Die Kunst des Amerikanischen Realismus hat sich vielschichtig entwickelt und lässt sich in unterschiedliche Ausprägungen ausdifferenzieren. Er gilt als erster eigener nationaler Kunststil Amerikas und als Wegbereiter für die amerikanische Kunst nach 1940.

Der Beginn dieser Entwicklung liegt auch im Ausbruch des Ersten Weltkriegs begründet. Bis dato war die Kunstbewegung Europas, insbesondere Deutschlands und Frankreichs impulsgebend, weshalb amerikanische Künstler keinen nennenswerten Stellenwert auf dem Kunstmarkt hatten. Der New Yorker Galerist Alfred Stieglitz, zeigte 1913 Arbeiten französischer Maler. Er selbst hielt in seinem fotografischen Werk am modernen Stadtbild fest. Damit dokumentierte er metaphorisch den Wandel von einer alten zu einer neuen Welt. Nach einer kurzen Findungsphase reagierten amerikanische Künstler zunächst brüskiert auf die Ausstellungen europäischer Malerei in Amerika, da sie sich nicht ernst genommen fühlten.

Spätestens 1920 zeigten sie sich mit einer ungewohnt patriotisch-konservativen Bildsprache und etablierten damit den Amerikanischen Realismus. Die sozialkritische Auseinandersetzung griff unter anderem Szenen aus dem Großstadtmilieu auf. Sie orientierten sich an frühen Pressefotografien und zeigten arme Menschen, Betrunkene und Kriminelle.

Der prosperierenden Wirtschaft der sogenannten „goldenen Zwanziger Jahre“ folgte mit dem „Schwarzen Donnerstag“ 1929 eine Weltwirtschaftskrise, welche die 1930er Jahre in den USA prägte und als „Große Depression“ verstanden wird. Die Kunst als solche reagierte darauf mit einer gesellschaftskritischen Auseinandersetzung. Arbeitslosigkeit, Schwarzmarkt, Kriminalität und Armut bestimmten diese Zeit, die erneut eine Migrationswelle hervorrief.


Edward Hopper (1882 - 1967)

Vor allem Hoppers Werk spiegelt diese Befindlichkeit, die nun von Leere, Sinn- und Ziellosigkeit geprägt war wider. In seinen schonungslosen Darstellungen von Einsamkeit und Anonymität des „modernen Menschen“ in verrätselten Bilderwelten, stellte sich Hopper konsequent gegen die Sujets weiter, unberührter regionaler Landschaften seiner Zeitgenossen.

Sein Sujet ist die dörfliche Scheinidylle, welche er in trostlos anmutenden Szenarien darstellt. Vereinzelt schreibt er Figuren in seine Bilder ein, die schutzlos wirken. Oft wirken seine Räume, Häuser oder Straßenzüge bereits verlassen. Emotional kühl und distanziert, ohne jegliches Mitgefühl stellt Hopper seine Staffage dar.

Und doch bestimmt das besondere Licht mit seinen langen, fließenden Schatten in seinen Werken die optimistische Grundstimmung, so, als müsse sich der „Mensch“ erst in seine neue, ihm zugeschriebene Rolle der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung einfinden. Lässt sich daraus eine gewisse Hoffnung in Hoppers Bildsprache ableiten? Immerhin malt er auch während des zweiten Weltkriegs und trotzt den Kriegswirren indem er nicht düster wird. Auch während der Verdunkelungspflicht in Amerika, die Schutz vor potenziellen Luftangriffen liefern sollte, erlischt in seinen Bildern das nächtliche Licht nicht.

Hoppers Perspektiven sind vom Film geprägt und ermöglichen dem Betrachter Einblicke aus ungewöhnlichen Ebenen. Sie erinnern zuweilen an Hitchcock Filme und könnten rückblickend genauso gut Stills zeigen.


"Zimmer in New York", 1932 (Analyse)

Edward Hopper

"Zimmer in New York", 1932

Öl auf Leinwand

Sheldon Museum of Arts, Nebraska/USA

Bildquelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Room_in_New_York#/media/File:Room-in-new-york-edward-hopper-1932.jpg


Das Werk Zimmer in New York von Edward Hopper aus dem Jahre 1932 lenkt den Blick des Betrachters in einen beleuchteten Raum, in welchem zwei Figuren zu sehen sind. Das Bild ist im Querformat in Öl gefasst und befindet sich derzeit im Sheldon Museum of Arts in Nebraska, USA. Hopper gilt als der erste bedeutende Amerikaner in der Malerei des 20. Jahrhunderts und begründete den Amerikanischen Realismus. Seine Popularität nahm ab 1950 zu. Thema seiner Bilder ist die Vereinsamung des modernen Großstadtmenschen, die er in sachlicher und reduzierter Bildsprache abbildete.

 

Das Bild wird von klaren Farben und Flächen bestimmt. Diese gliedern das Bild kompositorisch. Die Vertikalen teilen die Flächen in ein Links und Rechts auf. Die ins nächtliche Dunkel getauchte Fassade, rahmt den Blick des Betrachters ins beleuchtete Innere des Raumes ein. Die kühlen Sockel am linken und unteren Bildrand stehen kontrastreich gegen die hellen und warmen Töne des Innenbereichs. Dort ruht links ein Mann in einem roten Sessel und liest Zeitung. Er wirkt dabei vertieft. Die Frau sitzt ihm gegenüber am Klavier und spielt indessen einzelne Töne. Zwischen ihnen steht ein leerer runder Holztisch, dahinter ist eine verschlossene Holztür zu sehen. Die Blicke beider sind voneinander abgewandt. Die Melancholie des Bildes wird durch die Darstellung des Moments erzeugt. Beide Figuren sind gut gekleidet und scheinen die Zeit totzuschlagen, so, als würden sie auf etwas warten.

 

Wie auf eine Bühne schaut der Betrachter von außen in den erleuchteten Wohnraum. Nur zeigt Hopper dort kein patriotisches Gesellschaftsporträt, sondern eine Frau, die um die Aufmerksamkeit ihres Mannes buhlt. Die kühlen Farbklänge der Außenwelt stehen für jene gesellschaftliche Anonymität, die Hoppers Oeuvre bestimmt. Folgt man aber der Bilddynamik, die den Blick des Betrachters von dem dunklen linken unteren Bilddrittel über die Sessellehne und den Kopf des Mannes führt, gelangt man diagonal ins helle, obere rechte Bilddrittel. Diese Dynamik, die eine positive Wendung andeutet, sowie die warme Farbgebung des Innenbereichs stellen Hoppers Optimismus dar.

 

Hoppers Thema ist die Vereinsamung des Großstadtmenschen. Das Zimmer in New York zeigt die aus den Fugen geratene Harmonie einer Gesellschaft inmitten der Wirtschaftskrise. Das dargestellte Paar wird an einem Abend gezeigt, wie sie auf etwas warten. Vielleicht erwarten sie Besuch oder möchten ausgehen. Vielleicht stellt das Bild aber auch einen gewöhnlichen Abend des Paares dar. Zumindest stehen die Figuren für die Rastlosigkeit eines Landes, das sich nach dem Aufschwung in den 20er Jahren nun in der großen Depression befindet. Die fehlende Korrespondenz steht für die Stagnation des Landes. Damit stellt Hopper eine Scheinidylle dar und hinterfragt das patriotische Sujet seiner amerikanischen Zeitgenossen. Mit dieser Dynamik bleibt sein Bild aber offen und liefert einen positiven Ausblick in die Zukunft eben dieser Gesellschaft.


"Automat", 1927 (Analyse)

Edward Hopper

"Automat", 1927

Öl auf Leinwand, 72,4 x 91,4 cm

Permanent Collection, Des Moines Art Center Iowa / USA

Bildquelle: https://www.etsy.com/de/listing/797650651/edward-hopper-automat-1927-leinwand


Werkanalyse, eingelesen und medial aufbereitet von E. Kus, Kunst Leistungskurs, 2020


Das Werk, Automat von Edward Hopper aus dem Jahre 1927, zeigt eine Frau in einem Automatenrestaurant. Das Querformat ist in Öl gefasst und bemisst 72,4 x 91,4 cm. Es hängt in der Permanent Collection, des Des Moines Art Center in Iowa, USA. Hopper gilt als der erste bedeutende Amerikaner in der Malerei des 20. Jahrhunderts und begründete den amerikanischen Realismus. Seine Popularität nahm ab 1950 zu. Thema seiner Bilder ist die Vereinsamung der Großstadtmenschen, die er in sachlicher und reduzierter Bildsprache abbildete.

 

Das Bild wird von klaren Flächen und Linien bestimmt, die das Bild kompositorisch nach den Gesetzmäßigkeiten des Goldenen Schnittes aufteilen. Es zeigt ein Automatenrestaurant bei Nacht. Das Restaurant ist schlicht gehalten und wirkt etwas billig. Darin hält sich eine Frau auf, die an einem runden Tisch sitzt. Dort sitzt sie mit dem Rücken zum Fenster, das einen Großteil des Bildhintergrundes ausmacht. Der Blick des Betrachters wird frontal auf die Frau gelenkt, die im Kegel des Kunstlichtes des Restaurants sitzt. Sie ist fein gekleidet und trägt einen grünen Mantel mit gelbem Glockenhut. Der Platz ihr gegenüber ist frei. Außer ihr ist niemand im Bild zu sehen, auch keine weiteren Tische. Hopper zeigt auch keine Wände des Restaurants. Ein flacher Sockel verläuft hinter der Frau, die ihren Blick geneigt hat und auf die Tasse richtet, die sie mit ihrer rechten Hand hält. Ihre linke Hand ruht auf der Tischplatte, die in ihren blauen Farbklängen an kalten Marmor erinnert. Den Handschuh hat sie an dieser Hand nicht abgenommen. Zu ihrer rechten Seite, steht hinter ihr auf dem Sockel eine Glasschale mit Obst, die leicht von ihrem rechten Oberarm verdeckt wird. Das Rot der Früchte bildet zu ihrem Mantel einen Komplementärkontrast und wiederholt sich im Rouge und ihrem Lippenstift, den sie trägt. Die Dunkelheit hinter der Fensterfront rahmt die Frau ein. Die Umgebung wirkt unbelebt. Es ist niemand zu sehen. Ihre Haltung ist entspannt, die Beine hat sie elegant, aber bequem nebeneinandergestellt. Über ihr sind im linken Bilddrittel in zwei Reihen Deckenleuchten zu sehen, die außerhalb des Restaurants die Dunkelheit unterbrechen. Unter einem Seitenfenster ist im linken Bilddrittel des Restaurants ein Heizkörper zu sehen, daneben vielleicht eine Tür. Das Orange des Heizkörpers bildet zur Oberfläche des runden Tisches ebenfalls einen Komplementärkontrast. Das Bild ist kompositorisch rechtslastig. Die Reihung der rückwärtigen Deckenleuchten zeigt nach rechts, auch der schmale Sockel hinter der Frau läuft rechts aus dem Bild hinaus.

 

Die Melancholie des nächtlichen Verweilens wird durch die reduzierte Bildkomposition und insgesamt kühle Farbgebung bestärkt. Sehr dunkle Flächen stehen den hellen gegenüber. Klare Linien bestimmen das Bild und lenken den Blick des Betrachters unmittelbar auf die Frau, die von Hopper ohne jegliche Gesellschaft dargestellt wird. Sie sitzt allein an einem Tisch und wirkt isoliert.

 

Hoppers Thema ist die Vereinsamung des Großstadtmenschen. Er spielt mit Gegenpolen und geht hier auf den Zustand ein. Ob die Frau im Begriff ist zu gehen oder gerade angekommen ist, bleibt ungewiss. In jedem Fall ist sie allein im Bild. Der leere Stuhl ihr gegenüber verdeutlicht diese Einsamkeit. Auch das automatische Restaurant kommt ohne jede Bedienung aus. Hopper zeigt einen Moment, der einem Film entlehnt sein könnte. Der angehaltene Moment, der die Situation offenlässt, steht sinnbildlich für die Rastlosigkeit Amerikas, einem Land im Aufschwung, das nicht einmal in der Nacht zur Ruhe kommt. Die fehlende Korrespondenz steht für die Anonymität einer Großstadt. Wie auf einer Bühne leuchtet Hopper die Staffage aus. Damit führt Hopper diesen gesellschaftlichen Missstand zur Schau. Während die Stadt im dunklen Hintergrund schläft, ist das Restaurant in künstliches Licht getaucht. Die Wärme der Rottöne und dem Orange des Heizkörpers sehen für Behaglichkeit und gleichzeitig dem kühlen Grün und Blau gegenüber. Einzig das Glas der Scheibe trennt sie von der Außenwelt.

 

Während amerikanische Maler in der Entstehungszeit dieses Bildes einer eher patriotisch-konservativen Auffassung folgten, deutet Hopper subtil auf die gesellschaftlichen Missstände hin. Indem er in seinen Bildern alltägliche Situationen in reduzierter Bildsprache, jedoch so ausgeleuchtet, dass sie an bekannte Filmszenen erinnern, malte, erhebt er sie zu etwas Besonderem. Hopper wiederspricht damit den idyllischen Fassungen seiner Zeitgenossen an der Ostküste, die wie Braun oder Wendt die amerikanische Landschaft idealtypisch abbildeten. Hopper greift das gesellschaftliche Bild Amerikas auf, zeigt hier eine Frau mit ihren weiblichen Reizen aber ohne ein Gegenüber. Er stellt das nächtliche Refugium der bedrohlichen Dunkelheit der Nacht gegenüber. Der warme Kaffee in der Tasse und der Heizkörper scheinen die einzigen Indizien für Wärme zu sein. Damit kippt Hopper die vordergründige Idylle und kritisiert die Kehrseite des wirtschaftlichen Aufschwungs, der Verstädterung als solcher.

Das Glas der Scheibe trennt sie von innen nach außen. Man sieht es nicht und doch ist es da. Die innere Welt und die äußere Welt scheinen gleich zu sein, da das Glas ohne Reflexe nicht sichtbar ist. Die Figur ist von der Außenwelt abgeschottet. Ähnlich verhält sie sich im Bild, auch dort tritt sie nicht von innen nach außen.

 

Die Leuchten symbolisieren die Gleichheit in der Menge. Dies könnte Hopper als Anspielung auf die, aus seiner Sicht, schwindende Individualität im gesellschaftlichen Kontext verstanden haben. Die Anordnung der Leuchten erinnert hingegen auch an ein Leitsystem für Piloten auf Landebahnen. Die thematische Ambivalenz in Hoppers Werk zwischen den Gegenpolen der Geborgenheit und der Anonymität, dem Innen und Außen verdeutlicht er hier mit dem hoffnungsvollen Ausblick in eine ungewisse Zukunft. Hopper liefert mit den Leuchten die Gewissheit über einen sicheren Pfad durch die Großstadt, deren Umgebung er durch harte Schatten und eine massive Architektur, oder hier einer großen schwarzen Fläche darstellt.


Analyseskizze

Es ist in jedem Fall hilfreich eine Analyseskizze anzufertigen, um die kompositorischen Mittel, mit welchen die Bildoberfläche organisiert wird, zu durchdringen. Dieses Werk wurde von Hopper beispielsweise in der klassischen Komposition nach dem Goldenen Schnitt aufgebaut und ist damit in ein statisches Gefüge eingeschrieben. Die geraden Linien grenzen die Bildflächen voneinander ab und verleihen dem Bild damit eine gewisse Ruhe.

Die geschwungenen Linien, die sich in der Silhouette der Tischoberfläche, der Staffagefigur, der Obstschale im Bildmittelgrund sowie in den Leuchten im Bildhintergrund wiederfinden, bewirken im Bild eine milde Dynamik. Diese hat Einfluss auf die Blickführung. Der Blick des Betrachters sucht einerseits den Blickkontakt der Figur am Tisch und zugleich folgt er ihrem Blick, der herab auf das Geschehen vor ihr auf dem Tisch gelenkt wird.

Die Anordnung der Außenleuchten in zwei Reihen hingegen führen den Betracherblick vom oberen linken Bilddrittel direkt zur Staffage. Von dort jedoch, aufgrunde der Verjüngung weiter in die Ferne. Hopper unterstützt die Räumlichkeit mit klaren Flächen, die er in Hell und Dunkel aufteilt und damit voneinander abgrenzt. So grenzt Hopper auch die metaphorischen Bildebenen voneinander ab, das Innen und das Außen des Raumes sowie die Innen- und Außenwelt der Figur als ein Teil der Wohlstandsgesellschaft in einer amerikanischen Metropole Ende der 20er Jahre.